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Kategorie: Lyrik

Blick in den Park

Schatten bauen in der Dämmerung
alles noch einmal, das Haus vom Zaun bis zum Giebel, 
verdoppeln die Reihen der Bäume und decken
über den Rasen einen Teppich aus Schlaf.
Blumen begegnen ihren dunkleren Schwestern.
Auch du blickst dich um und suchst ein stilleres,

sanfteres Sein anzuziehen, suchst es in alten Koffern,
Schränken, unter Büchern und hebst vom Stapel Papier
im Honigkreis deiner Lampe beiläufig die Tage,
wendest sie um und wiegst sie leicht in der Hand.
Wind zieht herauf. Du schwankst, und im Fenster
erscheint dir unbemerkt dein Gesicht.

Als Schwager der Sonne tritt auch der Mond hervor,
aschblond, sein Haar in magere Zöpfe geflochten,
richtet der Gute sich ein, noch Stunden zu bleiben.
Im Zimmer spannt dein Kind seinen Bogen und stimmt 
die Saiten der Geige bis an den tiefsten Ton.
Er lässt uns ruhig schlafen. Kalt ist der Abendhauch.

Lesung

wenn ich dich anseh,
wie du dasitzt und gibst,
seh ich dasitzen und geben 
alle, die schreiben,

die sich als zehnte 
und mächtigste muse
die liebe wählten,
die mancher wieder verliert.

du aber hältst an ihr fest,
bleibst sanft, auch wenn
kälte aufzieht
und niemand mehr da ist.

April

APRIL

 

Stund um Stunde seit der Tag
kahles Felsgestein bemalt
fragst du wie dies angeht?

 

         Blickst ins neu ergrünte Buch
         bis ein rotes Seidentuch
         sich in Nacht verwandelt

 

Berg an Berg im blauen Hemd
Ackerfurchen glattgekämmt 
Saat treibt erste Halme

 

         Wer streut Nester übers Feld
         Treppenhaus und Regenzelt
         aufgebaut für alle?

 

Weg um Weg ein offnes Tor
du tauchst ein und kommst hervor
wie aus einer Höhle

 

         Wälder schütteln sich das Haar
         flechten dir in diesem Jahr
         Kränze für die Seele

 

Baum um Baum stickt sich ein Kleid
oder hat es Licht geschneit
in der Morgenröte?

 

         Über Nacht trank jedes Blatt
         aus der Wurzel Lebenssaft
         helle Schattenhüte

 

Wolk um Wolke zieht herauf
drinnen liegt dein Hof und Haus
Herd für deine Fragen

 

         Abends wenn der Kuckuck ruft
         schaukeln Kinder durch die Luft
         sie davonzutragen

PSALM

PSALM

Wieder ist es der Wald,

die Weisheit der Bäume,

wenn du den Hohlweg entlang

kommst und fragst.

Die Schritte sinken ins Moos,

in die Stille,

wo klares Licht

dir von oben strahlt!

Hier dringt der Geist deines Vaters

dir in die Seele,

flicht Fäden aus Gold

in deine Gedanken.

Wie viele Male

hast du Ihn angerufen,

dich blind geweint

in deiner Qual!

Und niemals riefst du umsonst.

Er gab dir zu kosten

vom brennenden Strauch

und vom Wasser des Lebens,

Er band dich von Fesseln los

und zog dir den Dorn aus dem Fleisch.

Sein Flüstern klingt dir für immer

im Ohr: Sei getröstet!

( © Regina Schaunig, 12. Juni 2021)

 

Schneefall

 

SCHNEEFALL

 

Von der Grenze herauf
bis zu den Höhlen
der Saligen Frauen
hat es geschneit

 

Über der Drau
und dem Wörthersee
schmilzt Schnee
mit jeder Berührung

 

Türme entstehen
morgen und übermorgen
fahren die Pflüge von hier
bis zum Mittagskogel

 

Unter uns hebt sich
ein weißes Meer
bis zum Himmel

Wind

WIND erhebt sich mit einem Mal
wie ein unsichtbarer Vogel,
mitten ins Gesicht 
wehr Dir seinen Atem.


Auch der Baum spürt es,  
er tritt heraus aus der Gruppe der Bäume.
Nun erfasst ein Strömen sein Laub,
bewegt einen Zweig um den andern, 


ergreift und wiegt vertraut
seine aufgerichteten Arme,
als habe er selbst 
an ihrer Festigkeit gebaut 


und flüstere in alles Starre, 
bis ins Innere der Sprache, seiner und Deiner.
Den Kopf im Wind, 
findest auch Du Worte.
……

© 2024 Regina Schaunig

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